Lieber sensenmann4,
grundsätzlich meine ich, dass es ein Problem ist, dass viele Menschen einfach sehr viele Hobbys gleichzeitig haben. "Früher" war es eher so, dass man weniger Dinge intensiver gemacht hat. Man hat sich einer Sache eher "ganz" angenommen. Meine Großmutter z.B. kannte wirklich alle Strick-Tricks des Universums. Ich bringe nichtmal korrekte linke oder rechte Maschen zusammen.
Mir kommt es so vor, als sind heute bei vielen die Interessen viel breiter gestreut. Möglich ist das sicherlich durch z.B. die Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten via Internet. Brauchte man früher halt Leute in der direkten Umgebung, die sich auch mit dieser Sache beschäftigten, um selber damit anzufangen, so schaut man heute z.B. einfach in ein Motorradforum, um damit zu beginnen, sich mit dem Motorradfahren zu beschäftigen. Motorradfahren ist vielleicht ein nicht ganz so gutes Beispiel. Nehmen wir lieber: Ein einmaliges Ansehen eines Videos führt nicht dazu, dass die rechten und linken Maschen wirklich gleichmäßig gestrickt sind.
Es ist möglich, sehr viele Dinge in sehr kurzer Zeit zu recherchieren und zu "erlernen". Das Problem ist dann jedoch das "Erlernen", dann dadurch dass die Freizeit natürlich begrenzt ist, kann man sich dem Hobby nicht mehr so intensiv widmen. Die freie Zeit wird mit vielen unterschiedlichen Aktivitäten ausgefüllt. Folglich können sich Fähigkeiten, ein bestimmtes Hobby tatsächlich ausführlich zu "erlernen", es also dort irgendwie zu etwas "Vorzeigbarem" zu bringen, gar nicht mehr entwickeln.
Gerade das Motorradfahren braucht aber sehr viel Training. Dazu kommt dann noch, dass viele ja schon passionierte Autofahrer sind, bevor sie aufs Motorrad steigen. Da ist die Logik dann: Im Verkehr kenn ich mich aus. Ich will jetzt aber mal richtig Gas geben. Ich will mal den und den beeindrucken und außerdem bin ich in meinem alten Polo schon x mal von irgendeinem Tiefflieger mit 160 auf der Landstraße überholt worden!
Die Folge ist, dass die meisten Motorradfahrer und auch die Motorradfahrerinnen wirklich ziemlich schlecht Motorrad fahren. Es ist ja sonst gar nicht zu erklären, warum man mit einer 250er locker eine 600er oder 1000er einholen kann, wenn nur das Gelände einigermaßen passt. Dadurch das vermutlich 90% der Fahrer/innen auch noch auf Autofahren (also mit vier Rädern) getrimmt sind, fehlt vielen offenbar das Gespür für das Fahren eines instabilen Zweirades. Ich halte es auch für etwas abgedreht, wenn einige nur ein- oder zweimal pro Jahr aufs Motorrad steigen. Man muss sich vergegenwärtigen: Die meisten Motorräder werden nicht gefahren, sondern sie stehen herum. Solche Fahrer haben keine Übung. Woher sollte die Übung kommen?
Die andere Fraktion kauft jede Saison ein neues Bike - warum auch immer. Wie kann ich aber ein Bike vernünftig fahren lernen, wenn ich darauf nur eine Saison, wenn es hoch kommt, ein paar 1000 km fahre? Klar komme ich irgendwie damit zu Recht, aber mir würde das keinen Spaß machen, weil ich das als sehr unsicher empfinde und ich mehr als nur ein paar Tausend Kilometer benötige, um wirklich mit einem Motorrad umgehen zu können - so dass ich der Ansicht bin, ich beherrsche es jetzt einigermaßen. Und eine Selbsteinschätzung ist ja ohnehin immer relativ.
DIe neue ZX-10R sieht top aus! Aber ich kann nicht eine 600er Suzi in einer ZX-10R tauschen, bevor ich nicht wenigstens auch die 600er Suzi einigermaßen sicher fahren kann. Mein Ego kämer sicherlich zu Schaden, wenn ich auf einer 1000er sitzend, von einem Roller überholt würde?! Okay, ich kann mir natürlich vorsichtshalber einen neongelben Helm aufsetzen und eine Warnweste anziehen, aber will ich das?!
Tja und natürlich kann dann auch was bei der ganzen Überei passieren, wenn man aus jeder Ausfahrt gleich ein ganzes Training mit definierter Zielsetzung macht, denn wie sollte man sich verbessern, wenn man nicht auch an seinem Limit fährt? Am Limit fahren bedeutet aber eben auch, aus Versehen über das eigene Limit hinaus zu fahren. Wenn man Glück hat und gute Reflexe, dann kann man sich hoffentlich aus der misslichen Lage befreien, aber es kann natürlich jederzeit auch ordentlich schief gehen. Eine Garantie gibt es nicht, auch wenn sehr viele meinen, dass man sich das mit sehr viel elektrischem Gedöns erkaufen kann. Da sind Trainings auf Rennstrecken wirklich die bessere, aber eben auch sehr teure Lösung.
Wollte der Staat wirklich etwas für die Sicherheit von Motorradfahrer/innen tun, dann gäbe es viel mehr freie Übungsflächen!! So ist man gezwungen, irgendwo unerlaubterweise für Fahrmanöver auf private Supermarktplätze auszuweichen, die es ja wegen der übertriebenen Öffnungszeiten in unbelegter Form nun höchsten noch einige Sonntage im Jahr gibt.
Mit dem Motorrad ist mir bisher noch nichts wesentlich dramatisches passiert, aber ich wundere mich jedes Mal auf neue, wenn ich mich nach tausenden von Kilometern mal wieder mit dem Fahrrad lang gemacht habe - aus purer Unachtsamkeit.
Ja, ich denke, eine Drosselung bringt schon etwas, weil es so ein wenig eine "Zwangspause" ist, damit man ein wenig zum Nachdenken kommt. ob man das, was man da tut, ganz sicher auch wirklich tun will. - Ich würde allerdings kein Motorrad drosseln, weil ich denke, dass man dann eher ein leistungsärmeres Motorrad benutzen soll. Es ist wirklich viel leichter, eine 600er langsam zu fahren als eine 250er komplett auszufahren, um eine 600er einzuholen... Allein schon deshalb, weil man mit der 250er sozusagen "von Natur aus" unterlegen ist und demzufolge abhängig von der eigenen Einstellung, fehlende PS anderweitig ersetzen muss. (Bei einer 600er spielt sich ähnliches dann auf höherem Geschwindigkeitsniveau erneut ab.) - Aber auch eine PS-Begrenzung wird kaum jemanden davor bewahren, sich hin und wieder abzulegen. Wenn sich jemand lang macht, ohne dass dabei andere zu Schaden kommen, sollte es meiner Ansicht nach nicht so hoch aufgehängt werden. Es ist einfach eigene Blödheit und aus Schaden wird man in der Regel klug - jedenfalls wenn man nach dem Unfall noch Gelegenheit dazu hat. - Der vorhandene Führerschein beweist ja, dass theoretisch bekannt ist, wie man sich tunlichst verhalten sollte. Und in der Fahrschule lernt man auch, dass erst Übung - zum Beispiel unter Anleitung - den Meister macht.
Muss man jetzt nach der 4
PS Zeit nochmal eine Prüfung machen? - Das ist aus meiner Sicht nur Abzocke. In meiner Fahrschule hätte das gar nicht funktioniert. Bei der großen Maschine bin ich nichtmal mit den Füßen auf die Erde gekommen, weswegen ich dann einfach den "kleinen" Motorradführerschein gemacht habe... Voll die Diskriminierung von Kurzbeinigen!
Was mich wundert ist, dass die Unfälle laut sensenmann4s* Aussage hauptsächlich auf sportlichen Motorrädern passieren. Ich hätte schwören können, es sind genau die Motorräder, die mit viel Gewummste losbrausen, bis man dann bei 205 locker an ihnen vorbeizieht?!
Schöne Grüße
H-AJ
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* Den Nick habe ich schon immer bewundert. Was mag nur aus den ersten Dreien geworden sein...