Schwarzer Samstag in Himeji
Hallo zusammen,
heute schreibe ich aus einem nicht so positivem Grund. Einige haben es bereits mitbekommen, dass es hier in Himeji am Standort von Nippon Shokubai, wo auch das Joint Venture für das ich hier in Japan bin sitzt, ist es zu einem schweren Unfall mit, nach aktuellen Presseangaben, einem Toten und 35 zum Teil schwerverletzten Personen gekommen ist. Ich versuche hier mal alle Quellen zusammen zufassen was hier passiert ist.
Zu mir, ich war Samstag u.a. meine Eltern zum Flughafen nach Osaka bringen und als ich mit Rückgabe des Mietwagens und allem fertig war, war der Unfall schon bereits geschehen. Ich war also nicht mal in der näheren Umgebung zu dem Unfallort. Ich erfuhr erst am späten Abend von dem Unfall als wir auf dem Weg zu einer Geburtstagsfeier waren und in einer Bar, wo wir noch ein paar Leute abholen wollten, mir die Leute um den Hals fielen und ich so Sätze zu hören bekam: "Gott sei dank Du lebst!" und andere in dieser Art. Ich war erst mal geschockt, weil ich gar nicht wußte was die von mir wollten. Die dachten, weil ich Freitag nicht unterwegs war, ich müsse Samstag arbeiten. Es ist hier halt doch ein Dorf, aber ich finde interessant das sich so viele Menschen, obwohl mich die meisten erst seit wenigen Tagen quasi kennen, Sorgen gemacht haben.
Meine aktuellste Quelle für die Zusammenfassung aller Geschehnisse ist
Daily Yomiuri Online, die meiner Meinung nach die beste Zusammenfassung liefern. Ich hab die Quelle ein wenig gekürzt und übersetzt:
Kurz vor 13:00 Uhr wurden nach Angaben von Firmenmitarbeitern in einem Acrylsäure-Tank ein abnormaler Temperaturanstieg festgestellt, woraufhin die Werksfeuerwehr zwecks Kühlung von außen angefordert wurde. Die Temperatur fiel darauf hin aber nicht weshalb gegen 13:51 Uhr die Feuerwehr verständigt wurde mit dem Hinweis, dass eine gefährliche chemische Reaktion entstehen könnte. Die ersten Feuerwehrleute trafen gegen 14:05 Uhr im Werk ein. 30 Minuten später kam es zur Explosion während die Feuerwehr noch bei den Vorbereitungen war.
Meine Frage an dieser Stelle ist, warum die Feuerwehr sich so viel „Zeit“ gelassen hat mit dem Aufbau der Kühlung!? Genau dieses ist auch eine der Fragen, die bei der Untersuchung im Vordergrund stehen.
Zum Zeitpunkt der Explosion war der Feuerwehrmann Nagahiro Yamamoto (28) 20m von der Explosion entfernt damit beschäftigt die Versorgungsleitung für die Kühlung zu verbinden. Er verbrannte direkt durch die heißen Chemikalien, die aus dem explodierenden Tank spritzten. Ebenso wurde ein Nippon Shokubai Mitarbeiter, Kenji Miura (31) dabei sehr schwer verletzt.
Der Tank in dem Acrylsäure erzeugt wird ist 5,6m hoch und 4,2m im Durchmesser. Es war einer von drei in Reihe geschalteten Tanks und die bei der Explosion ausgetretenen Flüssigkeit ergoss sich über die beiden anderen Tanks, wobei kurze Zeit danach ein weiterer Acrylsäuretank und ein Toluentank explodierten.
Zum Zeitpunkt des Unfalls waren 50 bis 60 Arbeiter am Standort. Ich würde mal schätzen, dass normalerweise mindestens das 10-fache an Personal unter der Woche am Standort gewesen wären.
Normalerweise wird, um die Temperatur zu kontrollieren der Sauerstoffgehalt reduziert durch Zugabe von Stickstoff allerdings scheint dies aus welchem Grund auch immer nicht der Fall gewesen zu sein. Möglicherweise scheint dort ein technischer Defekt vorgelegen zu haben weshalb dann die Temperaturkontrolle außer Kontrolle geraten ist. Dies ist aber derzeit eine Spekulation.
Ein solcher Unfall hat sich im März 1976 schon einmal in ähnlicher Weise ereignet, aber damals sind keine Personen verletzt oder gar getötet worden.
Hier in diesen Quellen gibt es ein paar Bilder der Katastrophe, die ich aber nicht zeige. Das soll kein Katastrophen-Voyeurismus werden, aber der Vollständigkeit halber die anderen Quellen ebenfalls:
http://worldnews.nbcnews.com/_news/2012/09/29/14154759-chemical-plant-explosions-in-japan-kill-one-may-cripple-global-diaper-output?lite
http://www.japantimes.co.jp/text/nn20120930a6.html
Nippon Shokubai ist einer der drei größten Hersteller von Acrylsäure. Jährlich produziert Nippon Shukubai 62t, wobei 46t alleine in Himeji produziert werden. Diese wird u.a. für die Produktion der Absorber von Babywindeln bzw. Windeln allgemein benötigt. Interesse hat dies direkt bei den Bänkern ausgelöst (
http://www.cnbc.com/id/49234674)! Die Aktie von Nippon Shokubai fiel direkt um 14,2% und die beiden größten Rivalen Sanyo Chemical Industrie Ltd. und Sumitomo Seika Chemicals Co. Ltd. gewannen 7,7% und 6,1%. Kranke Welt!
Mein Büro liegt in einer guten Entfernung zum Unglücksort. Es ist niemand von uns zu Schaden gekommen, auch sind unsere Anlagen nicht beschädigt worden. Wir sind hier auf dem Gelände quasi "Untermieter" und mit 70 Leuten relativ wenige Personen. Der ganze Standort liegt auf einer künstlichen Insel. In der Presse kursierten Allerlei schräger Mutmaßungen. Zwischenzeitlich war in der Presse die Rede von 750.000l Chemikalien die Explodiert seien die Rede. Ich glaube dann würde die Insel nicht mehr existieren!? Es ist und bleibt ein tragischer Unfall und viele wirken mehr als betroffen da bisher Chemieunfälle zwar passiert sind, aber für alle im Prinzip „weit weg“. Diesmal ist es vor dem Büro passiert und selbst wenn keiner von uns glücklicher Weise direkt betroffen ist, ist es dennoch ein merkwürdiges Gefühl.
Ich durfte auch heute erst wieder auf das Werksgelände. Meine Chefs aus Tokyo haben mir Verbot erteil auf das Werksgelände zu gehen. Risikominimierung! Es war sehr beklemmend wenn Du am Werkstor an einem riesigen Grabgesteck vorbeizugehen. Keiner lächelt auf dem Werksgelände, nicht mal die freundliche Dame am Empfang. Leute die am Unglücksort waren stocken beim sprechen darüber. Und es ist totenstill auf dem Werksgelände! Die Anlagen sind noch nicht in Betrieb und daher ist es unangenehm leise am Standort und das ist glaub ich das schlimmste der Gefühle, die ich heute hier habe. Wenn alles wieder gestartet ist, dann kann erst wieder ein wenig Normalität einkehren.
Am Eingang steht eine Tafel auf der normalerweise täglich die Anzahl der Unfallfreien Tage gezählt werden ... heute prangte an allen Stellen eine Null ... nur bei getöten Personen war eine eins. Nicht einmal die Verletztenzahl wurde angegeben, es reicht das einer tot ist!
Was ich heute auch noch gelernt habe, Japaner gehen mit solchen Dingen deutlich anders um als wir das vielleicht tun würden. Wir sind alle dazu angehalten uns aus dem öffentlichen Leben fernzuhalten, sprich die Festival-Saison startet gerade und wir sind angehalten dort nicht hinzugehen. Nicht das es heißt "Schau an bei denen ist einer auf dem Werksgelände gestorben und die genießen hier das Leben!" Das ganze hat sogar noch weitreichendere Folgen wie keine geschäftlichen Abendessen usw. mehr, private Feiern sollten ebenfalls unterlassen werden etc. Ich lasse das jetzt mal so stehen und kommentiere dies nicht!